OLDENBURGER MÜNSTERLAND 2012

Hirschkäfer in den Dammer Bergen

Hirschkäfer in den Dammer Bergen

Werner Schiller

 

FFH-Art Hirschkäfer

Der Hirschkäfer (Lucanus cervus) dürfte bei uns seit vielen Jahrhunderten einer der bekanntesten und populärsten Käfer überhaupt sein. Er ist die größte bei uns lebende Käferart, und die imposanten Mandibeln der Männchen verleihen ihm zusätzlich ein Achtung gebietendes Aussehen. Man kann den Hirschkäfer gleichsam als Symbol für den Begriff “Käfer” in unserem Gebiet ansehen.

Früher kam der Hirschkäfer fast überall vor, aber inzwischen ist sein Bestand gefährdet. In Deutschland steht der Hirschkäfer als stark gefährdet in der Roten Liste.

Nach der grenzenübergreifenden europäischen Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-RL) gilt der Hirschkäfer als eine Tierart von gemeinschaftlichem Interesse, für deren Erhalt besondere FFH-Schutzgebiete ausgewiesen werden müssen.

 

Kennzeichen

Hirschkäfer sind die größten Käfer Europas. Die Färbung der Flügeldecken ist kastanienbraun, Kopf und Halsschild sind schwarz gefärbt. Die Fühler sind in der Mitte geknickt und am Ende blättrig verbreitert.

Den Namen verdankt der Hirschkäfer den geweihartig verlängerten Oberkiefern am stark verbreiterten Kopf der Männchen. Diese mächtigen Zangen werden vor allem bei Rivalenkämpfen benutzt. Die Muskelkraft reicht in der Regel nicht aus, sie als Waffe gegen Feinde einzusetzen.

Die Männchen erreichen eine Körperlänge zwischen 3 - 8 cm, vereinzelt sogar bis zu 10 cm. Die deutlich kleineren Weibchen werden ca. 4 cm groß. Sie haben einen schmaleren Kopf und normal entwickelte Oberkiefer, mit denen sie aber empfindlich kneifen und auch Saftfluss an Bäumen erzeugen können.

 

Lebensraum

Als Lebensraum bevorzugen Hirschkäfer vor allem alte Eichen- und Eichenmischwälder mit einem entsprechenden Anteil an Totholz und absterbenden Althölzern in möglichst südexponierter bzw. wärmebegünstigter Lage. Entscheidend für das Vorkommen der Art ist das Vorhandensein geeigneter Entwicklungsstätten. Die Larven des Hirschkäfers können sich nämlich nur in stark von bestimmten Pilzen zersetztem Holz entwickeln. Die Wurzeln morscher oder toter Eichen sind ihre bevorzugten Brutstätten.

Daneben werden vom Hirschkäfer aber z.B. auch alte Parkanlagen, alte Hofeichenbestände, geeignete Gärten und Obstplantagen besiedelt.

Der Hirschkäfer gilt als ausgesprochen ortstreu und zeigt trotz seiner Flugfähigkeit nur eine geringe Ausbreitungstendenz.

Lebensweise                          

Die Hirschkäfersaison beginnt meist Ende Mai und dauert bis zum August. Vorwiegend im Juni/Juli fliegen die vorwiegend dämmerungs- und nachtaktiven Käfer um Baumkronen und sammeln sich an Saftflüssen von Bäumen. Während die Männchen auf natürliche Saftstellen angewiesen sind, können die Weibchen, die zwar wesentlich kleinere, aber sehr kräftige Mandibeln besitzen, mit diesen den lebensnotwendigen Saftfluss selber erzeugen.

Unter verletzten Bäumen, deren austretende Flüssigkeit schon angegoren ist, finden sich oft mehrere Tiere, ihrer “Trunkenheit” erlegen, am Boden liegend. Sie liegen dann auf dem Rücken, strecken die Beine in die Luft und zappeln. Nach einer gewissen Zeit werden sie wieder nüchtern, krabbeln erneut zur Leckstelle, trinken und fallen abermals berauscht zu Boden. Ein Schelm, wer dabei den Vergleich zum Menschen sucht!

An solchen “Leckstellen”, die wichtige Rendezvousplätze darstellen, kommt es oft zu regelrechten “Turnierkämpfen” der Männchen um die Weibchen. Mithilfe ihrer großen Zangen versuchen sie, sich gegenseitig vom Baum zu werfen. Nur der stärkste und geschickteste kommt daher zur Fortpflanzung.

Die Männchen sterben bald nach der Paarung, die Weibchen einige Zeit nach erfolgter Eiablage.

Zur Ablage der in der Regel 7 - 28 Eier bevorzugt der Hirschkäfer den Wurzelbereich abgestorbener Alteichen. Entscheidend für die Wahl des Eiablageplatzes sind aber vor allem der Zersetzungsgrad und die Feuchtigkeit des Holzmulms sowie wegen ihrer substrataufbereitenden Wirkung die Anwesenheit spezifischer Pilze (Eichenrot- und Weißfäulepilze). 14 bis 20 Tage nach der Eiablage schlüpfen die Larven. Ihre Entwicklung dauert meist fünf, zum Teil aber auch sechs bis acht Jahre. In dieser Zeit kann die Larve eine Länge von über 10 cm erreichen. Die Hirschkäferlarven ernähren sich von in Zersetzung befindlichem, morschem, feuchtem, verpilztem Holz.

Zur Verpuppung kriecht die Larve in das benachbarte Erdreich und legt dort in ca. 20 cm Tiefe eine etwa faustgroße “Puppenwiege” an, in der dann die Umwandlung zum fertigen Käfer bis zum Herbst erfolgt. Der Käfer verbleibt aber noch im Kokon, da der Chitinpanzer erst aushärten muss. Im folgenden Frühsommer kriechen die neuen Käfer bei ansteigenden Temperaturen an die Oberfläche und ein neuer Vermehrungszyklus kann beginnen.

Hirschkäfer-Hotline

Wegen der versteckten Lebensweise ist eine systematische Bestandsaufnahme der Hirschkäfer sehr zeit- und kostenaufwändig und kaum planbar. Um eine aktuelle und umfassende Bestandsaufnahme der Hirschkäferpopulation in unserem Gebiet zu erstellen, schaltet die NABU-Ortsgruppe Damme in Zusammenarbeit mit der Kreisgruppe Vechta seit 2005 eine sogenannte “Hirschkäfer-Hotline”. Durch einen entsprechenden Aufruf in der Lokalzeitung (Oldenburgische Volkszeitung) und deren besondere Unterstützung werden interessierte und aufmerksame Bürger gebeten, ihre Hirschkäferbeobachtungen zu melden. Diese Vorgehensweise hat sich bewährt. Durch den Kontakt mit vielen Beobachterinnen und Beobachtern wurden hunderte von Fundmeldungen zusammengetragen und der Fachbehörde für Naturschutz des Landes Niedersachsen (NLWKN) gemeldet. Das Ergebnis der landesweiten Erhebung hat bisher ergeben, dass ca. 80% der erfassten Hirschkäfervorkommen in Niedersachsen aus dem Landkreis Vechta, insbesondere aus den Dammer Bergen kommen. Die meisten Meldungen stammen hierbei aus den Gemeinden Damme, Holdorf Neuenkirchen-Vörden und Steinfeld. Der Verbreitungsschwerpunkt dieser Art in Niedersachsen liegt offensichtlich rund um die Dammer Berge. Hier findet der Hirschkäfer noch geeigneten Lebensraum und kann sich vermehren. Folgerichtig wurde die Region der Dammer Berge als FFH-Schutzgebiet gemeldet.

Die vielen Fundmeldungen von Hirschkäfern im Bereich von Hofeichen auf überwiegend einzeln gelegenen Hofstellen in den Dammer Bergen belegen eindrucksvoll die Bevorzugung sonnig-warmer Standorte durch den Hirschkäfer. Dieser Landschaftstyp mit licht stehenden “Hute-Eichen” war vor 100 bis 200 Jahren im Norddeutschen Tiefland wesentlich weiter verbreitet (Heidekultur) als heute. Zwischenzeitlich sind diese einst lichten Waldbestände in dichte Dauerwälder umgewandelt. Viele dieser Gebiete in ehemaliger Ortsrandlage sind inzwischen völlig unter Wohnsiedlungen verschwunden.

Wo, bei lichter Bebauung, die alten Eichen (oder z.B. auch Obstbäume) erhalten geblieben sind, werden diese Gebiete auch heute noch von Hirschkäfern besiedelt. Dies belegen wiederum die vielen Hirschkäfer-Funde im Bereich der Dammer Berge.

 

 

Schutzmaßnahmen

In Niedersachsen sind die Hirschkäferbestände landesweit seit 1900 ganz offensichtlich stark zurückgegangen. Nicht nur aufgrund der FFH-Richtlinie ist es z.B. zur Bewahrung der heimischen Biodiversität geboten, etwas für den Schutz und die Erhaltung der verbliebenen Hirschkäfer-Bestände zu unternehmen. Darüber hinaus sollte jede Chance genutzt werden, diesen prächtigen Großkäfern zu helfen.

Hirschkäfer leiden ganz offensichtlich unter dem Mangel geeigneter Brutstätten, also an zu wenigen ausreichend warmen, langsam vermodernden Wurzelstöcken großer Bäume, vor allem von Eichen.

Neben dem Erhalt von alten und morschen Bäumen und Baumstümpfen (Altholz und Totholz!!) sowie der Förderung des Nachwachsens geeigneter Nahrungsbäume für Larven und Käfer kann man durch das Anlegen sogenannter Hirschkäfermeiler günstige Entwicklungsstätten schaffen und somit den Hirschkäfer nachhaltig schützen.

Das Grundprinzip für das Anlegen eines Hirschkäfermeilers besteht darin, dass man eine ca. 50 cm tief ausgehobene Grube z.B. mit Eichenstubben, Eichenstammteilen, Eichenhäcksel und Eichensägemehl so bestückt und verfüllt, dass ein pyramidenartiger Aufbau entsteht. Die Höhe über dem Erdboden sollte nicht über 50 cm hinausgehen. Vorteilhaft ist es, angefaultes Material zu verwenden. Neben Eichenholz eignet sich aber auch das Holz von Buchen und Obstbäumen. Achten sollte man auf eine sehr effiziente Sicherung gegen Wildschweine, für die Käferlarven offensichtlich eine absolute Delikatesse sind.

Ein solcher Totholzmeiler soll dem Hirschkäfer als zusätzliches Angebot für die Ablage seiner Eier dienen und somit die Wiederverbreitung des Käfers fördern.

Die NABU-Ortsgruppe Damme hat im Rahmen eines von der Niedersächsischen Lottostiftung “BINGO-die Umweltlotterie” geförderten Projekts im Dammer Raum fünf Hirschkäfermeiler angelegt. Diese Meiler sollen als Grundlage für eine dauerhafte Population in unserer Region dienen. Die Dammer Naturschützer jedenfalls hoffen, dass sie viele Nachahmer ihres Projekts in der Bevölkerung finden. So eignen sich zum Beispiel viele Schützenplätze wegen ihrer Alteichenbestände hervorragend für Hirschkäfermeiler. Aber auch in geeigneten Gärten reicht oft eine Totholzecke aus. Der Hirschkäfer, das Symboltier der Dammer Berge, braucht viele Freunde.

Kontakt

Die Bestandserfassung des Hirschkäfers rund um die Dammer Berge wird fortgeführt. Daher werden alle interessierten und aufmerksamen Bürger gebeten, ihre Hirschkäferbeobachtungen und ihnen bekannte Hirschkäferinformationen an folgende Adressen zu melden:

  • NABU-Ortsgruppe Damme,   Werner Schiller, Perlblumenweg 1, 49401 Damme, Tel.: 05491/1412   Mail: Werner.Schiller@gmx.net
  • NABU-Kreisgruppe Vechta,   Ludger Frye,           Ahornstraße 13, 49393 Lohne, Tel: 01575 / 6259258  Mail: ludger.frye@t-online.de  

 

Wanted!

Hirschkäfermeldungen tragen zur Verbesserung des Kenntnisstandes über die Bestandssituation des Hirschkäfers bei und bilden die Grundlage für gezielte Hilfs- und Schutzmaßnahmen.

Hilfreich und wünschenswert sind folgende Angaben: Genaue Fundortbeschreibung, Funddatum, Anzahl der Tiere , Geschlecht (Männchen oder Weibchen). Auch Larvenfunde sollten gemeldet werden. Darüber hinaus sind natürlich Belegfotos schön. Damit können auch Unsicherheiten gerade bei weiblichen Tieren geklärt werden. Für eventuelle Rückfragen wird auch um die Angabe der Adresse, Telefon-Nr. oder E-Mail-Adresse der Melder gebeten.

 

Literatur

Altmüller,R.: Aufruf und Hinweise zur Kartierung von Hirschkäfern (Lucanus cervus) in Niedersachsen, NLWKN Hannover 2007

 

Altmüller,R.: Ergebnisse der landesweiten Hirschkäfer-Erfassung im Jahre 2007 und Aufruf sowie Hinweise zur Kartierung von Hirschkäfern (Lucanus cervus) in Niedersachsen im Jahre 2008, NLWKN Hannover 2008

 

Harde/Severa: Der Kosmos-Käferführer, Stuttgart 1987

Hessen-Forst: Der Hirschkäfer in Hessen, Artenschutzinfo Nr.2, Gießen 2010

 

Klausnitzer/Sprecher-Uebersax: Die Hirschkäfer, Neue Brehm-Bücherei, Hohenwarsleben 2008

 

Mader,D.: Populationsdynamik, Ökologie und Schutz des Hirschkäfers (Lucanus cervus) im Raum um Heidelberg und Mannheim, Verlag regional kultur, Ubstadt-Weiher/Heidelberg/Basel 2009

 

Ökokonzept Service N. Lemb: Artenschutzkartei Bd.1, Blatt 7 (Hirschkäfer), Flörsheim 1985

 

Sprecher-Uebersax: Studien zur Biologie und Phänologie des Hirschkäfers im Raum Basel, Inauguraldissertation, Basel 2001

 

Tochtermann,E.: Modell zur Arterhaltung der

Lucanidae , Allgem. Forstzeitschrift 8, S. 183-184, 1987

 

Tochtermann, E.: Neue biologische Fakten und Problematik der Hirschkäferförderung,  

Allgem. Forstzeitschrift 6, S. 308-311, 1992